Schriftpsychologie – Teil 02: Die Serifenlose

Willkommen zum zweiten Teil meiner kleinen Typografie-Serie! Wer den ersten verpasst hat, der schaut am besten direkt mal auf dieser Seite vorbei. Dieses Mal möchte ich ein bisschen über serifenlose Schriften sprechen - wie sie entstanden sind, was es für berühmte Schriften gibt und wie sie sich am besten für ein Branding einsetzen lassen.

Was macht die Serifenlose aus?

Anders als Serifenschriften haben Serifenlose (auch “Groteske” oder “Sans Serif” genannt) keine kleinen “Füßchen” und kommen ganz schlicht daher. Außerdem sind bei den Sans Serifs die Strichstärken nahezu identisch oder vollkommen gleichförmig. Entwickelt wurden die “Grotesken” Anfang des 19. Jahrhunderts in England. Sie sollten vor allem auffällige Kontrapunkte zu den Schmuck- und Serifenschriften auf Werbemitteln und Plakaten sein.

Berühmte Serifenlose

Akzidenz-Grotesk

Die liebevoll “AG” genannte “Akzidenz-Grotesk” wurde erstmals 1898 in der Schriftgießerei H. Berthold AG für Inserate in der “Zeitschrift Deutscher Buch- und Steindrucker” verwendet. Woher genau die Schrift stammt ist ungeklärt – wahrscheinlich stammt sie aber aus Schriftbeständen übernommener Gießereien. Insbesondere im Dada, Bauhaus und De Stijl wurde die AG vielfach eingesetzt und dadurch sehr populär.
Ab 1973 entstand unter der künstlerischen Leitung von Günter Gerhard Lange für die Firma Berthold ein Re-Design der AG, im Zuge dessen die Schrift um zahlreiche Schriftschnitte und Zeichensätze erweitert wurde.



Futura

Paul Renner entwickelte seine “Futura” 1924 inmitten einer hitzigen Diskussion um die “richtige” Groteske und die Zukunft der Typografie. Seine Schrift verschrieb sich konstruktivistischen Prinzipien, weshalb die “Futura” auf einfachen Grundformen wie Kreis, Dreieck und Quadrat beruht. Eine zeitlose, elementare Schrift, die immer noch modern wirkt.



Gill Sans

Arthur Eric Rowton Gill (1882-1940) war ursprünglich studierter Architekt, bevor er Teil der britischen “Arts and Crafts” Bewegung wurde. Als Bildhauer und selbständiger Drucker arbeitete er an der Restaurierung der Westminster Kathedrale, als er 1916 den Auftrag bekam, eine Schrift für die Beschilderung und Pläne der Londoner U-Bahn zu entwickeln.
1928 begann Gill seine Mitarbeit in der “Monotype Corporation” – im selben Jahr verwendete Stanley Morison (genau! der von der “Times New Roman”) die “Gill Sans” für die Einladungen zum Jahreskongress der Britischen Druckindustrie und verhalf der Schrift damit zu ihrem Durchbruch.



Helvetica

Wahrscheinlich die berühmteste Sans-Serif und “Everybody’s Darling” in der Designwelt. Sie entstand 1956 im Auftrag der Haas’schen Schriftgießerei und wurde von Max Miedinger in Zürich entworfen. Als Basis diente die “Akzidenz Grotesk” und die Haas-eigene “Normal Grotesk”.
Zunächst “Neue Haas Grotesk” genannt, brachte die D. Stempel AG (die in der Zwischenzeit die Schriftgießerei Haas übernommen hatte) die Schrift 1960 unter dem Namen “Helvetica” heraus.
Mit der Weiterentwicklung für Maschinen- und Fotosatz entstanden zahlreiche Überarbeitungen der Schrift und Schnitte wie beispielsweise die “Helvetica Light” und 1982 die “Neue Helvetica”.



Sans Serifs im Branding


Die Serifenlosen sind die “Allrounder” im Branding: Als “Hauptdarsteller” vermitteln sie Frische, Modernität und Klarheit. Und als Ergänzung zu Serifenschriften lassen sie Logos nicht ins Altbackene abrutschen.

Eine komplett in Sans Serif gehaltene Wortmarke wirkt aufgeräumt und zeitgemäß – in Kombination mit einer Serife kann sie gerade für Kreative oder eher “klassische” Branchen wunderbar chic aussehen. Und wenn Serifenlose mit Script-Schriften kombiniert werden, entsteht ein toller Kontrast zwischen Moderne und femininen Touch.

In allen meinen Brandings habe ich bislang mindestens eine Sans Serif Schrift verwendet. Mein absoluter Favorit ist dabei die “Montserrat”, aber auch im Luxus-Segment darf (finde ich) durchaus die edle Serifenschrift mit einer modernen Grotesken “gebrochen” werden. Dafür verwende ich dann meist die Klassiker unter Serifenlosen, also die “Futura” oder auch die “Frutiger”.

Fazit

Sans Serifs wirken etwas “entspannter” und direkter als Serifenschriften – sie vermitteln Modernität und Frische. Sie sind auch in kleinen Schriftgrößen gut lesbar und gerade für Bildschirmansichten eine gute Wahl.

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